Politik

EU reformiert Vergabe öffentlicher Aufträge Geiz ist nicht mehr geil

Auch öffentliche Bauaufträge sind von der Reform betroffen.

Auch öffentliche Bauaufträge sind von der Reform betroffen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bisher kam bei europaweit ausgeschriebenen öffentlichen Aufträgen das billigste Angebot zum Zug. Die EU schafft diese Regelung nun ab. Von der Reform profitieren auch Mittelständler. Ausgenommen ist die Wasserversorgung - ein Sieg für eine Bürgerinitiative.

Die Vergabe öffentlicher Aufträge soll in der Europäischen Union vereinheitlicht und vereinfacht werden. Darauf zielen drei Richtlinien ab, die das Europaparlament in Straßburg abschließend verabschiedet hat. Die Wasserversorgung wurde von den Neuregelungen ausgenommen, sie kann also weiter in der Hand von Kommunen bleiben. Damit reagierte die Kommission auf die Proteste der Europäischen Bürgerinitiative "Wasser ist ein Menschenrecht", die sich mit einer Internet-Petition gegen eine Privatisierung von Trinkwasser gewandt hatte.

Der Rat, in dem die 28 EU-Staaten vertreten sind, hat bereits zugestimmt. Somit können die Neuregelungen in Kürze in Kraft treten. Die EU-Staaten haben anschließend zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen.

Die neuen Vorgaben für öffentliche Aufträge greifen bei Bauleistungen ab fünf Millionen Euro und bei Dienstleistungen ab 130.000 Euro. Ab diesen Summen müssen Aufträge EU-weit ausgeschrieben werden. Das Europaparlament setzte nun durch, dass bei der Vergabe dieser Aufträge nicht nur der Preis eine Rolle spielt, sondern auch Umwelt- und Sozialstandards berücksichtigt werden.

Es darf auch das bessere Kantinenessen sein

Damit sind Staaten, Gemeinden oder Gebietskörperschaften nicht verpflichtet, in jedem Fall das preisgünstigste Angebot zu wählen. Öffentliche Krankenhäuser können beispielsweise ein teureres, aber potenziell besseres Kantinen-Angebot für die Verpflegung der Patienten aussuchen. Auch Dienstleistungen, die von behinderten Arbeitnehmern erbracht werden, können bevorzugt werden.

Die Bürgerinitiative gegen die Privatisierung der Wasserversorgung war europaweit erfolgreich.

Die Bürgerinitiative gegen die Privatisierung der Wasserversorgung war europaweit erfolgreich.

(Foto: picture alliance / dpa)

Dadurch würden mehr Möglichkeiten für eine "nachhaltige, soziale und ethisch verantwortliche Vergabe" von Aufträgen geschaffen, erklärte die deutsche Grünen-Abgeordnete Heide Rühle. Nicht allein der Preis, sondern das beste Preis-Leistungs-Verhältnis werde in Zukunft das EU-Vergaberecht bestimmen.

Ein EU-einheitliches E-Vergabedokument soll zudem die Teilnahme an Ausschreibungen vereinfachen. Außerdem sollen die Aufträge zügiger als bisher vergeben werden. Die Neuregelungen sehen auch ausdrücklich vor, dass Aufträge direkt an kommunale Eigenbetriebe vergeben werden können. Dies schaffe "mehr Rechtssicherheit für Städte und Gemeinden als Auftraggeber", betonte der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab. Dank einer vereinfachten Bürokratie könnten zudem Handwerksbetriebe und mittelständische Unternehmen leichter an Aufträge im EU-Ausland kommen.

Europaweite Initiative erstmals erfolgreich

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) in Deutschland begrüßte, dass die Wasserversorgung aus dem Geltungsbereich der EU-Richtlinien herausgenommen wurde. Die vorgesehenen Ausschreibungspflichten hätten "tief in die Organisationsfreiheit der Kommunen bei der Trinkwasserversorgung vor Ort eingegriffen", erklärte der Verband.

Mit der Initiative "Wasser ist ein Menschenrecht" wurde erstmals erfolgreich von einer Möglichkeit Gebrauch gemacht, die im EU-Reformvertrag von Lissabon von 2007 vorgesehen ist. Demnach können Bürger mit Europäischen Bürgerinitiativen die Brüsseler Kommission direkt zum Handeln auffordern.

Damit eine solche Initiative erfolgreich ist, müssen sich mindestens eine Million Bürger aus sieben Ländern in eine Petition eintragen. Dabei gilt für jedes Land eine Mindestzahl. In Deutschland sind das 74.250 Unterzeichner, in den kleinsten EU-Ländern wie Luxemburg und Malta je 4500 Unterschriften. Diese Zahlen hat die Initiative gegen die Privatisierung der Wasserversorgung als erste überhaupt erreicht.

Quelle: ntv.de, mli/AFP

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