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Auswirkung auf Wahl in Berlin Urteil: Wahlrechtsreform von 2020 verfassungskonform

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Die nach der letzten Bundestagswahl zusätzlich montierten Stühle müssen nicht wieder entfernt werden. Die Wahlrechtsreform der Großen Koalition ist verfassungskonform.

Die nach der letzten Bundestagswahl zusätzlich montierten Stühle müssen nicht wieder entfernt werden. Die Wahlrechtsreform der Großen Koalition ist verfassungskonform.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Wahlrechtsreform aus dem Jahr 2020 für verfassungskonform. 216 Abgeordnete von FDP, Grünen und Linken gingen seinerzeit gerichtlich dagegen vor. Sie ziehen die Klage nach einer weiteren Reform jedoch zurück. Das nun gefallene Urteil könnte dennoch Auswirkung haben.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lässt die Wahlrechtsreform von 2020 passieren - sie ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Änderungen, die die damalige große Koalition im Alleingang durchgeboxt hatte, verstießen nicht gegen die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien, führte die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, aus. 216 Abgeordnete von FDP, Grünen und Linken, die damals alle in der Opposition waren, scheiterten damit in Karlsruhe. Ihr Normenkontrollantrag wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Senats fiel mit fünf zu drei Stimmen jedoch knapp aus. In einem Sondervotum trugen die Senatsvorsitzende König sowie die Richter Ulrich Maidowski und Peter Müller Bedenken vor allem an der Verständlichkeit der nun durchgewinkten Regelungen vor. Die Senatsmehrheit stellte hingegen fest, dass sich das Gesetz nicht primär an die Bürger richte, sondern an die Wahlorgane, also etwa Wahlleiter und Wahlausschüsse. Für diese sei das Wahlrecht ausreichend bestimmt und klar.

Die Fassung des Wahlrechts, um die es nun am Verfassungsgericht ging, ist inzwischen überholt. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte im Frühjahr dieses Jahres eine eigene Wahlrechtsreform durchs Parlament gebracht. Diese geht noch deutlich weiter als die Vorgängerreform und wird wiederum von der jetzigen Opposition heftig kritisiert. Auch dagegen sind Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig.

Auf dem Prüfstand in Karlsruhe standen im jetzt entschiedenen Fall die Vorschriften zur Sitzzuteilung, nach denen 2021 der aktuelle Bundestag zustande kam. Die Reform hatte das Ziel, den durch Überhang- und Ausgleichsmandate immer größer gewordenen Bundestag zu verkleinern. Ein Kritikpunkt war allerdings, dass Überhangmandate erst ab dem vierten Mandat durch Ausgleichsmandate für andere Parteien kompensiert wurden. Dieses Verfahren sei jedoch nicht zu beanstanden, so der Zweite Senat.

Wahlrecht für Wähler nicht undurchsichtig

Überhangmandate entstanden nach dem alten Wahlrecht, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewann, als ihr nach dem Zweitstimmen-Ergebnis Sitze zustanden. Ausgleichsmandate für die anderen Parteien sollten sicherstellen, dass am Ende die Sitzverteilung dem Stimmenverhältnis entsprach. Es sei hinreichend bestimmt im angegriffenen Gesetz, wie und bis zu welchem Punkt die Sitzzahl des Bundestags zu erhöhen sei, sagte König.

Der Kritik der Kläger, die Regelungen in der Reform seien zu unverständlich und für die Wähler und Wählerinnen nicht mehr zu durchschauen, folgte das oberste deutsche Gericht mehrheitlich nicht. Die Vorschriften seien zuallererst an die Wahlorgane gerichtet, hieß es in der Urteilsbegründung. Bei einem Wahlsystem, das auf einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl basiere, sei "ein gewisses Maß an Komplexität des Sitzzuteilungsverfahrens nicht zu vermeiden".

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König sowie die Richter Müller und Maidowski kamen in ihrem Sondervotum zu anderen Schlüssen. Den Wahlberechtigten werde eine Wahrnehmung ihres fundamentalen Rechts auf Selbstbestimmung "im Blindflug" zugemutet.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ansgar Heveling sagte in Karlsruhe, das Urteil sei ein "Appell an die 'Ampel', das neue Wahlrecht zu überdenken". Dieses stütze das personale Element nicht, sondern schwäche es. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle teilte dagegen mit, es sei "gut, dass der Bundestag sich schon am Anfang der laufenden Legislaturperiode ein neues Wahlrecht gegeben hat". Grünen-Bundestagsabgeordneter Till Steffen erklärte, die "knappe Entscheidung und die abweichenden Meinungen von drei Richtern sind für uns ein klares Signal, dass wir es mit dem neuen Wahlrecht, das wir als Ampel-Koalition verabschiedet haben, richtig gemacht haben".

Das Urteil ist insbesondere für eine mögliche Wiederholungswahl in der Bundeshauptstadt von Bedeutung. Denn in einigen Berliner Wahlbezirken soll die Bundestagswahl von 2021 wegen Pannen am Wahltag nach einem Beschluss des Bundestags wiederholt werden. Auch dazu läuft ein Verfahren in Karlsruhe, das Urteil ist für den 19. Dezember angekündigt. Diese Wiederholungswahl kann nun wie vorgeschrieben nach denselben Regeln stattfinden wie die ursprüngliche.

Die Regelgröße des Bundestags war ursprünglich mal auf 598 Abgeordnete festgelegt gewesen. Derzeit gibt es aber 736 Parlamentarier und Parlamentarierinnen, so viele wie nie zuvor. Im Grunde sind sich alle einig, dass Reformbedarf besteht. Nur über das Wie wird seit Jahren gestritten. Denn jeder möchte vermeiden, dass Änderungen auf seine Kosten gehen.

Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP

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