Scheibenriss kurz nach dem Start Dreamliner wendet über Deutschland
10.05.2014, 15:30 Uhr
Extreme Belastungen durch wechselnde Druck- und Temperaturverhältnisse: Die Cockpitscheiben der 787 (hier im Bild eine Werksmaschine).
(Foto: dpa)
Der Direktflug nach Indien nimmt eine unvorgesehene Wendung: Wenige Minuten nach dem Start in Deutschland droht die Cockpitscheibe einer Boeing 787 zu platzen. Die Piloten drehen sofort um. Die Passagiere stranden in Frankfurt.
Der Vorfall weckt neue Zweifel an der Zuverlässigkeit eines der modernsten Verkehrsflugzeuge aus US-Produktion: Erneut hat ein Riss in der Frontscheibe einer Maschine vom Typ Boeing 787 "Dreamliner" für Aufsehen gesorgt.
Ein Langstreckenflieger der indischen Fluggesellschaft Air India musste in der Nacht zum Samstag etwa eine halbe Stunde nach dem Abflug zum Startpunkt in Frankfurt am Main zurückkehren, wie ein Sprecher der betroffenen Fluggesellschaft erklärte. Den Passagieren sei nichts passiert. Die Besatzung von Flug AI120 leitete umgehend die für solche Fälle vorgesehenen Routineverfahren ein.
Die Landung auf dem nächstmöglichen Flughafen gilt als Standardmanöver. Sicherheitshalber rückte die Flughafenfeuerwehr aus, um die Landung zu begleiten. Die Reisenden an Bord sollten noch in der Nacht nach der Reparatur mit derselben Maschine nach Neu-Delhi fliegen. Ihre Ankunft dort dürfte sich durch den Zwischenfall am Himmel über Deutschland damit um mehr als 24 Stunden verzögern.
Zurück in dieselbe Maschine
Die Maschine war nach Angaben der Fluggesellschaft in der Nacht gegen 0.45 Uhr gestartet. Als neuer Starttermin ist 1.30 Uhr angesetzt. Air India setzt den Dreamliner auf der Langstrecke ein. Die Fluggesellschaft betreibt derzeit 13 Maschinen des Typs 787. Die Non-Stop-Flugdauer von Frankfurt nach Neu-Delhi beträgt etwa siebeneinhalb Stunden.
Für Boeing ergeben sich aus der glimpflich überstandenen Panne mehr als nur unangenehme Verspätungen. Der Vorfall reiht sich ein in die lange Pannenserie des "Dreamliner". Erst im November war an einer Cockpitscheibe einer anderen Air-India-Maschine ein Riss aufgetreten; kurz zuvor verlor eine Boeing 787 derselben Airline eine Rumpfplatte.
Ein Versagen der Außenhülle kann unter ungünstigen Umständen zu einem plötzlichen Druckverlust im Inneren der Maschine führen. Besonders gefährlich ist das auf Reiseflughöhe. Für Piloten und Passagiere steht für solche Notfälle eine getrennt voneinander arbeitende Luftversorgung bereit. Die Sauerstoffzufuhr über die Masken soll verhindern, dass die Crew ohnmächtig wird und die Maschine anschließend führungslos durch den Luftraum kreuzt.
Offiziell nur "Kinderkrankheiten"
Abgesehen von einer Reihe von Reiseabbrüchen und einzelnen Notlandungen bleibt die Pannenserie bei Boeing bislang auf Sachschäden beschränkt. Cockpitscheiben zählen zu den verschleißanfälligen Bauteilen und lassen sich üblicherweise vergleichsweise einfach austauschen.
Schlimmer stellt sich für Boeing die Häufung der Vorfälle dar: Neben Air India berichteten zuvor bereits andere Fluggesellschaften über defekte Toilettenspülungen, defekte Bremsen, Hydraulikpumpen und Heizgeräte sowie falsche Alarmsignalen der Bordelektronik. Schwelbrände in den Systemen zur Bordstromversorgung des Hightech-Fliegers hatten im vergangenen Jahr sogar zu einem mehrmonatigen Flugverbot geführt.
Für Boeing-Großkunde Air India stellen die kürzlich aufgetretenen Probleme allerdings keine neue Problemdimension dar. Air-India-Sprecher G. Prasada Rao sprach von "Kinderkrankheiten": Die meisten Probleme seien mittlerweile behoben worden.
Innerhalb der Luftfahrtbranche gilt Air India als einer der wichtigsten Wettbewerber im schnell wachsenden Markt des Luftreiseverkehrs in Asien. Die 787 ist unter anderem aufgrund ihrer Leichtbauweise auf einen kosteneffizienten Betrieb auf Mittel- und Langstrecken ausgelegt.
Das Modell "Dreamliner" gilt als wichtigster Konkurrent des neuen Airbus A350, der ebenfalls in Teilen der Rumpfkonstruktion aus besonders gewichtssparenden Verbundwerkstoffen besteht.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa