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Barnaby Metschurat, der gute BöseKeine Skrupel vor Joseph Goebbels

28.07.2016, 12:05 Uhr
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Wird in "Zeit für Legenden" zum "Oberbösen" Joseph Goebbels: Barnaby Metschurat. (Foto: SquareOne / Universum )

Man kennt ihn nicht zuletzt aus Krimiserien wie dem "Tatort". Doch Barnaby Metschurat kann auch anders. Im Kinofilm "Zeit für Legenden" verkörpert er nun Joseph Goebbels - ganz ohne Bauchschmerzen, wie er im n-tv.de Interview erklärt.

Man kennt ihn nicht zuletzt aus Krimiserien wie dem "Tatort". Doch Barnaby Metschurat kann auch anders. Im Kinofilm "Zeit für Legenden" verkörpert er nun Joseph Goebbels - ganz ohne Bauchschmerzen, wie er im n-tv.de Interview erklärt.

n-tv.de: Zunächst mal: Glückwunsch! Sie sind vor Kurzem erneut Vater geworden …

Barnaby Metschurat: Vielen Dank! Ja, das war am 11. Juni. Es ist jetzt das insgesamt dritte Mal. Aber es ist immer wieder schön und aufregend. Und ich bin auch sehr müde … (lacht)

Die Nachricht von der Geburt ist durch ein paar bunte Blätter gegangen. Ist es Ihnen recht, wenn solche Dinge aus Ihrem Privatleben thematisiert werden?

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Metschurat ist seit vielen Jahren mit der Schauspielerin Lavinia Wilson liiert. (Foto: imago/Future Image)

Ich finde es in Ordnung. Und in dem Fall war es ja sogar gesteuert. Lavinia (Barnaby Metschurats Freundin Lavinia Wilson, ebenfalls Schauspielerin, Anm. d. Red.) hat das auf ihrer Facebook-Seite absichtlich lanciert, damit es einmal raus ist. Wir treten ja sonst nicht groß als Familie in den Medien auf. Aber wir sind natürlich auch stolz. Und das können die Leute ruhig mal wissen. Alles Weitere ist dann auch nicht mehr so interessant. Wir sind ja jetzt auch nicht Brangelina. (lacht)

Im Gegensatz zu Ihrer Freundin sind Sie allerdings weder bei Facebook, noch bei Instagram oder Twitter. Woher kommt Ihre Abneigung gegen die Sozialen Medien?

Abneigung würde ich das nicht nennen. Ich bin 1974 geboren und habe mehr das Gefühl, den Zug wahrscheinlich verpasst zu haben. Meine Tochter hingegen ist 23. Sie ist da total reingewachsen. Für sie ist das normal. Das finde ich auch absolut okay. Nur für mich persönlich fände ich es überhaupt nicht passend. Ich könnte mir nicht vorstellen, bei Instagram Fotos hochzuladen: "Hallo, hier bin ich auf der Premiere." Ich glaube, da würden sich die Leute auch fragen: "Was ist denn mit dem Barnaby los?" Mir fehlt das nicht. Und es wäre mir auch zu anstrengend. Bevor ich so etwas pflege, gucke ich in der Zeit lieber Filme.

Für einen Schauspieler in der heutigen Zeit ist das ziemlich ungewöhnlich …

Ja, stimmt. Vielleicht könnte ich auch eine noch großartigere Karriere haben, wenn ich das alles machen würde. Aber ich glaube, dann wäre ich nicht glücklich. Das habe ich für mich akzeptiert. Ich habe ein schönes Leben, für das ich dankbar bin.

Ihren Rollenangeboten hat das bisher ja anscheinend auch nicht geschadet - so wie jetzt beim Film "Zeit für Legenden", in dem Sie Joseph Goebbels verkörpern. Wie ist es dazu gekommen?

Über ein Casting. (lacht) Ich war zu der Zeit bei der Familie von Lavinia in den USA. Ich habe mit meiner Urlaubskamera einen Monolog von Goebbels aufgenommen und ihn eingeschickt. Einige Zeit später haben sie sich gemeldet. Ich glaube, ich hatte wahnsinniges Glück, dass sie die Rolle nicht klischeehaft besetzen wollten. Sonst wäre ich wahrscheinlich nicht die Nummer eins gewesen. Aber der Regisseur fand mich wohl irgendwie gut.

Wenn man Ihnen sagt, dass Sie nicht nur privat, sondern auch in dem Film eigentlich gar nicht wie Goebbels aussehen, macht man Ihnen also durchaus ein Kompliment …

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An der Seite von Metschurat ist in "Zeit für Legenden" unter anderem auch Carice van Houten als Leni Riefenstahl zu sehen. (Foto: SquareOne / Universum )

(lacht) Ja, das ist ein Kompliment! Vielen Dank. Es kommt natürlich auf den Anspruch an, den der Zuschauer hat. Wenn er den Anspruch hat, ein Double von Joseph Goebbels sehen zu wollen, blickt er auf die Sache vielleicht anders. Aber Stephen Hopkins ist ein Schauspieler-Regisseur. Für ihn ist die Essenz, was eine Figur wie diese bei anderen auslöst und nicht, wie sie aussieht. Deshalb hat man mich nicht komplett so hingestylt. Okay, ich habe etwas Humpeln eingebaut. Aber das war nicht das Wichtigste.

Was Sie aber in dem Film ziemlich genau rüberbringen, ist der Sprachduktus von Goebbels …

Ja, ich habe es versucht, ohne dabei zu Rheinisch zu werden. Ich glaube, der Duktus an sich kommt bei ihm total aus einer Haltung - aus sehr großer Eitelkeit gepaart mit Sadismus.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Ich habe mir zum Beispiel eine lange Doku angesehen, um mich in seine Biografie, Funktion und Geschichte einzufinden. Seit dem Schulunterricht ist ja doch schon einige Zeit vergangen ... Ich muss zu einer Rolle immer einen persönlichen Zugang finden. Mit welchem Zugang - im Zusammenhang mit dem Drehbuch - kann ich die Person treffen? Ich könnte natürlich massig über eine Figur herausfinden. Aber das sieht man im Film nicht. Und ich glaube auch nicht daran, dass der Zuschauer das irgendwie spüren würde. Was bei ihm am Ende ankommt, ist das Drehbuch.

Hatten Sie Skrupel, Goebbels zu spielen?

Nein, gar nicht. Auch da kommt es doch auf das Drehbuch an. Wäre es ein propagandistisches Nazi-Drehbuch gewesen, hätte ich es nicht gemacht. Aber wenn ich es mache, habe ich auch keine Skrupel. Außerdem hat es bei Deutschen doch eine gewisse Tradition, dass sie die Nazis spielen. (lacht) Bei so einer Chance, mit diesem Regisseur und so tollen Schauspielern zu arbeiten, hätte ich auch Hitler oder sonst wen gespielt. Wir sind doch, wie es das Wort sagt, Schau-"Spieler". Es ist ein Spiel. Das kann ich dann auch, ohne dass es mich großartig belastet.

Ulrich Matthes hat ja zum Beispiel in "Der Untergang" Goebbels verkörpert. Haben Sie sich das als Inspiration mal angeguckt?

Nicht jetzt speziell nochmal. Aber damals habe ich den Film natürlich gesehen. Ich habe auch Moritz Bleibtreu in dem Oskar-Roehler-Film ("Jud Süß - Film ohne Gewissen", Anm. d. Red.) gesehen.

Mit Goebbels spielen Sie zum zweiten Mal kurz nacheinander eine Figur aus der NS-Zeit. Gerade erst hat man Sie in "Der gute Göring" in der Titelrolle des Albert Göring gesehen. Ein Zufall?

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Vor Kurzem gab Metschurat in einem TV-Film den "guten Göring". (Foto: imago/pixelpress)

Total. So wie die Karriere eben auch Zufall ist. Das war jetzt wirklich extrem seltsam. Die Verhältnisse bei den Produktionen waren auch sehr unterschiedlich. "Der gute Göring" ist ja beim NDR unter Dokumentationen gelaufen - mit einem albernen Budget. Der Film wurde in 13 Tagen runtergerattert. Aber ich konnte mich gut in die Zeit hineinfühlen - das ist immer sehr lehrreich. Was damals passiert ist, muss so schrecklich gewesen sein, dass ich total empfindlich reagiere, wenn heutzutage jemand sagt: "Komm, war doch alles gar nicht so schlimm."

Albert Göring war im Gegensatz zu seinem Bruder, Reichsmarschall Hermann Göring, ein Gegner des Nationalsozialismus. Liegt es Ihnen eher, eine vergleichsweise "gute" Person wie ihn zu spielen oder ein Schwein wie Goebbels?

Nun ja, Albert Göring war jetzt nicht nur gut, sondern eine ambivalente Figur. Aber Goebbels ist natürlich der Oberböse. Ich muss schon sagen: Das Schwein zu spielen, macht immer unheimlich Spaß. Vor allem, wenn es irgendwie süffisant sein kann - das ging jetzt bei Goebbels nicht so. Der Gute ist dagegen meistens etwas langweilig und sehr anstrengend, weil man dem Zuschauer dauernd verständlich machen muss, warum man etwas tut.

Dann passt es ja, dass Sie häufig den Bösewicht mimen …

Ja, ich darf zum Glück oft Rollen spielen, die vordergründig gut, in Wahrheit aber böse sind. Oder Rollen, in denen ich zwar ein Arschloch bin, man mich aber trotzdem auch irgendwie versteht. Bei Goebbels war das natürlich unmöglich. Bei ihm war das sehr einseitig. An ihm findet man nichts Gutes.

Sie sind gebürtiger Berliner. Die Geschichte von "Zeit für Legenden" und von Jesse Owens spielt nicht zuletzt in Berlin. Hatten Sie sich zuvor schon mal mit ihr befasst?

Nein, nie. Ich bin kein Sportler und auch kein großer Sport-Fan. Natürlich hatte man den Namen Jesse Owens schon mal gehört. Und ich wusste, dass er eine Ikone für die Bewegung der Schwarzen war, bei den "Goebbels-Spielen" in Berlin angetreten ist und hier gewonnen hat. Aber ansonsten hatte ich von Jesse Owens' Geschichte keine Ahnung. Das ist auch ein Film zur richtigen Zeit - wenn man sieht, wie es in den USA gerade wieder abgeht …

Der Film zeigt auf der einen Seite Deutschland unter dem Unrechtsregime des Nationalsozialismus, auf der anderen das Unrecht der Rassentrennung in den USA zu jener Zeit. Beides wirkt auf der Leinwand ähnlich schlimm. Sehen Sie die Gefahr, dass dem Film die Relativierung der NS-Verbrechen vorgeworfen wird?

Ich bin jetzt auf die Reaktionen in Deutschland gespannt. Hier betrachtet man die Dinge doch oft weit differenzierter als in Amerika, wo man schnell mit einem Gut-Böse-Urteil zur Hand ist. In der amerikanischen Version des Films hat zum Beispiel Leni Riefenstahl eine präsentere Rolle. Die Amerikaner sehen in ihr eher die Künstlerin als die Faschistin. Da der Film eine US-Produktion ist, finde ich es ganz gut, dass die Rassentrennung darin so thematisiert wird. Denn mal ehrlich: Ich hätte in den 30er oder 40er Jahren auch kein Schwarzer in den USA sein wollen, auch wenn das natürlich kein Genozid und mit der Situation in Deutschland nicht vergleichbar war.

In "Zeit für Legenden" spielen Sie unter anderem mit Oscar-Preisträger Jeremy Irons. Kann man sich von Leuten wie ihm was abschauen?

Da konnte ich mir eine Menge abschauen. Das ist wie beim Tennis. Man merkt: Der hat einen guten Spin und es macht unheimlich Spaß, ihm zuzuschauen. Von Leuten wie ihm kann man sich Professionalität und meistens auch Kollegialität abschauen. Leute wie er wissen auch um die Bedeutung des Teams um sie herum. Sie wissen, dass man alleine so einen Film nicht stemmen kann.

Würden Sie denn selbst gern nach Hollywood gehen?

Aber natürlich! Eine Karriere wie Davids (David Kross, Metschurats Filmpartner in "Zeit für Legenden", Anm. d. Red.), der da gut reingerutscht ist, ist super. Er ist natürlich auch ein toller Schauspieler. Und ich freue mich für ihn. Das hat mit Talent zu tun, aber auch mit Glück. So wie es ein Glücksfall war, dass ich jetzt bei diesem Film mitmachen durfte. Mal sehen, was daraus wird.

Was die deutschen Produktionen angeht, waren Sie schon fünfmal im "Tatort" zu sehen, wenn ich richtig gezählt habe. Hat man Sie noch nicht gefragt, ob Sie Kommissar werden wollen?

Nein, noch nie. Damals bei KDD ("KDD - Kriminaldauerdienst" war eine Serie beim ZDF, Anm. d. Red.) durfte ich ja Kommissar sein. Aber bei den Vorzeigereihen in Deutschland werde ich nie als Kommissar genommen - dafür darf ich dann in einer Folge immer einen tollen Bösen spielen. (lacht) Aber auch dagegen, Kommissar zu werden, würde ich mich nicht wehren.

Mit Barnaby Metschurat sprach Volker Probst

"Zeit für Legenden" läuft ab sofort in den deutschen Kinos

Quelle: ntv.de

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