Alternative WeihnachtsmusikAuf keinen Fall "Alle Jahre wieder"
"Jingle Bells" und "Stille Nacht, heilige Nacht" sind eine Möglichkeit, die Geburt des Christkindes musikalisch nachzuempfinden. Aber muss es immer traditionell hergehen? Nein. Man kann auch Eric Claptons "We've Been Told" oder Chuck Berrys "Downbound Train" hören.
Vor 20 Jahren nahm Frank Sinatra eine CD gemeinsam mit einigen der Größen des zeitgenössischen Entertainments zahlreiche seiner Solonummern auf: "Duets" hieß das Doppelalbum folgerichtig. Herausgekommen war eine amüsante Zeitreise durch das Sängerleben dieses Mannes, der ein Alleinunterhalter im besten Sinne des Wortes war. Nun ist das Werk abermals aufgelegt worden. Wer es damals nicht erstanden hat, dem bietet sich jetzt eine neue Gelegenheit.
Frank Sinatra u.a.: "Duets - Twentieth Anniversary"
Mit der Soulröhre Luther Vandross schmettert Sinatra das unvergängliche Lied von der Frau, die an und für sich ein Tramp ist. Opernstar Luciano Pavarotti ist ihm Begleiter in der Paul-Anka-Komposition "My Way". Den Song gibt es als Bonustrack auch in der Einspielung mit der Uralt-Countrylegende Willie Nelson, der wie Uralt-Jazzer Tony Benett vor gar nicht so langer Zeit das Publikum im Berliner Admiralspalast zum Kochen brachte. Benett singt mit in "New York, New York".
"Die Ballade von Mackie Messer" von Brecht/Weill kennt wohl jeder. Weniger bekannt ist vielleicht die hier vorliegende Aufnahme mit Popmann Jimmy Buffet: Herausgekommen ist ein umwerfender Swing, der seinesgleichen sucht. Bei allem Respekt: Auch die vertrauteren – englischsprachigen - Einspielungen mit Louis Armstrong und Ella Fitzgerald kommen da nur schwer mit. Von der genialen deutschen Interpretation eines Wolf Kaiser, des Mackie per excellence, einmal abgesehen.
Gentle Giant: "Memories Of Old Days"
Die englische Kunstrockformation Gentle Giant gehört nicht gerade zu den bekanntesten Vertretern des Genres. Gleichwohl lohnt es sich, in jene musikalische Vergangenheit der 70er hineinzuhören, in der es in gewissen Kreisen der Inseln als verpönt galt, Three-Cord-Trash, zu machen.
Dreiakkordabfall nannte Midge Ure, der schottische Fast-Alles-Künstler, in einem Gespräch mit dem Autor dieser Zeilen einmal die Gitarrengriffe, die den Rock & Roll groß machten: E, A, E, H, A, E. Der auch aus dem schottischen Glasgow stammende nette Riese hat es gleichwohl etwas übertrieben mit der Ablehnung des Einfachen. Da blubbert es hie und da aus dem Keyboard, da hat es hin und wieder einen fast rokokohaften Instrumentalpart, da geht die Stimme von Leadsänger Derek Shulman in ein überhohes C. Auf dieser Edition sind einige der Beispiele versammelt, die zeigen, wie sich die Sechs-Mann-Band bemüht hat, den Stars der Szene Yes und Emerson, Lake and Palmer die Stirn zu bieten. Es ist ihnen - nicht ganz - gelungen. Aber die 76 Songs auf fünf CDs aus der Zeit beim Chrysalis-Label, darunter Einspielungen für die gute, alte, damals sehr moderne BBC und vieles mehr, beweisen, es hätte ihnen gelingen können. Wenn da eben nicht Yes und Co. gewesen wären.
Hank Williams u.a.: "George Harrison’s Jukebox ..."
Einer, dem es gelungen ist, heißt George Harrison. Während Gentle Giant und Kollegen sich an Mahler und Co. orientierten, hat sich der einstige Leadgitarrist der Beatles überwiegend von Einfacherem, gleichwohl nicht weniger Inspirierendem beeinflussen lassen. In der Reihe "Jukebox - The Music That Inspired The Man" sind jetzt einige der Tracks zu finden, die George als Mitglied der Fab Four und solo eingespielt hat oder die ihn beeinflusst haben: Das Instrumental "Raunchy", hier in der Aufnahme von Co-Autor Bill Justis, ist - der Legende zufolge - jenes Stück, mit dem er John Lennon und Paul McCartney von seinen Fähigkeiten als Gitarrist überzeugte und somit in die Band aufgenommen wurde.
"Roll Over Beethoven", der Klassiker von Chuck Berry, hat der Meister auf der zweiten Beatles-LP "With The Beatles" so fantastisch gespielt und gesungen, dass der Komponist und Interpret neidisch geworden sein muss. Gleiches gilt für "Everybody's Trying To Be My Baby" von Carl Perkins, das auf der 64er-Scheibe "Beatles For Sale" erschien. Georges Verehrung für Perkins ging soweit, dass er sich auf Konzertplakaten Carl Harrison nannte. An die Klasse seines indischen Vorbilds Ravi Shankar kam George auf der Sitar vielleicht nicht ganz heran. Die hier veröffentlichten Stücke "Raga Rageshript 3 (Gat)" und "Performance" verdeutlichen, wie schwer es für Europäer ist, das traditionelle, zirpende Instrument mit seinen bis zu 20 Saiten zu beherrschen.
Erstaunlich, was George Harrison aus den eher schwachen Vorlagen "Between The Devil And The Deep Blue Sea" des US-Jazzers Cab Colloway und "Got My Mind Set On You" vom US-Sänger James Ray gemacht hat.
Eric Clapton: "Give Me Strenght"
Von Harrisons Freund Eric Clapton sind nunmehr zwei seiner frühen Bluesrock-Alben wieder aufgelegt worden. Der Titel des Two in One: "Give Me Strength - The '74/'75 Studio Recordings". Enthalten sind die Alben "461 Ocean Boulevard" und "There's One In Every Crowd", beide um sogenannte Studio Out-takes angereichert. Ersteres ist zweifellos das erfolgreichere von beiden. Enthält es doch die einzige Nummer 1 in den USA, gespielt von einem mehrfachen Grammy-Gewinnner, der zudem als einziger dreifaches Mitglied der Rock 'n' Roll Hall Of Fame und laut Fachzeitschrift "Rolling Stone" nach Jimi Hendrix der zweitbeste (Pop-) Gitarrist aller Zeiten ist. Was eigentlich nur beweist, dass Verkaufslisten eher selten Qualität und Einfluss von Musikern widerspiegeln.
Chuck Berry: "Greatest Hits"
Chuck Berry, ohne den neben Buddy Holly wohl kaum eine British Invasion mit Beatles, Kinks, Stones, Who und vielen, vielen anderen möglich gewesen wäre, schaffte es nie aufs oberste Treppchen. Von dem Gitarrenmeister ist jetzt ein weiteres "Greatest Hits" mit insgesamt 40 Stücken aus den Jahren 1955 bis 1961 erschienen. Neben den allseits bekannten Songs wie dem bereits erwähnten "Roll Over Beethoven", Maybellene", "Memphis Tennessee" und "Brown Eyed Handsome Man" gibt es das sympathische "La Juanda", in dem der Mann aus Saint Louis im US-Bundessaat Missouri in grottenschlechtem Spanisch eine Mexikanerin anbetet. Interessant ist auch der Song - wie der vorgenannte Titel völlig aus der Rock 'n' Roll-Art geschlagene - "Downbound Train": die Geschichte eines Mannes im Delirium, der auf einer Fahrt in einem rasenden Zug dem Teufel begegnet.
Doch zurück zu Mister Slowhand. Neben dem Song über den Mann, der zugibt, den Hilfssherrif, nicht aber den Chef - aus Notwehr, wie er schwört - erschossen zu haben, finden sich auch so schöne Stücke wie die Eigenkomposition "Let It Grow" und das stampfende "Willie And The Handjive" vom US-Bandleader Johnny Otis, das 1958 unter den Top Ten der Billboard Charts landete. Auf "There's One In Every Crowd" finden sich christlich inspirierte Lieder wie "We've Been Told (Jesus Is Coming Soon)" und "Swing Low Sweet Chariot", aber auch bluesrockige Tracks wie "Singing The Blues" und "Better Make It Through Today". Als einen der beiden Bonustracks hat es Claptons Aufnahme von Bob Dylans "Knockin’ On Heaven’s Door"aufs Album geschafft. Im Reggae-Rhythmus aufgenommen ist dies neben dem Original die wohl schönste und bekannteste Coverversion des Songs.
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten, und drehen Sie die Musik bitte nicht so laut auf, dass man sie bis an die Himmelspforte hört.
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