Stress im FlugzeugWie simuliert die Crew den Ernstfall?

Wer in ein Flugzeug steigt, legt sein Leben vertrauensvoll in die Hände der Besatzung. Unvorhersehbare Ereignisse kann sie aber nicht verhindern. Wie gut sind Piloten und Flugbegleiter auf Notfälle vorbereitet? n-tv.de fragt nach.
Wer in ein Flugzeug steigt, legt sein Leben vertrauensvoll in die Hände der Flugzeugbesatzung. Selbst wenn die Crew alles dafür tut, die Fluggäste sicher und wohlbehalten ans Ziel zu bringen, können Gefahrensituationen beim Fliegen nie ausgeschlossen werden. Was passiert, wenn ein vollbesetzter Passagierjet notlanden muss? Wie gut sind Piloten und Flugbegleiter auf Notfälle vorbereitet? n-tv.de fragt Markus Wahl, Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit. Wahl ist ausgebildeter Lufthansa-Pilot und zehn Jahre lang Passagierflugzeuge geflogen. Heute ist er Cargo-Pilot bei Lufthansa. Er kennt auch die Unglücksmaschine A320.
n-tv.de: Flugzeugpiloten sind sehr gut ausgebildet, einen akuten Notfall an Bord schließt das leider nicht aus. Wie trainiert die Crew den Ernstfall?
Markus Wahl: Piloten müssen vier Mal im Jahr zum Training in den Simulator, wo unter sehr lebensechten Bedingungen das Gerät bewegt wird. Es gibt eine realitätsgetreue Darstellung der Umgebung. Die Piloten üben so einen Notfall nach dem anderen.
Welche Notfälle sind das?
Das beginnt mit Triebwerksausfällen, geht weiter mit Feuersituationen, elektronischen Problemen, Problemen mit dem Autopiloten und Steuerungsproblemen. Alles, was ein Flugzeug an möglichen Fehlfunktionen zu bieten hat, wird auch im Simulator trainiert.
Kann eine derartige körperliche und mentale Stressbelastung wirklich im Simulator trainiert werden?
Die Simulationsqualität ist schon sehr detailgetreu. Natürlich weiß man, dass man sich in einem Simulator befindet. Aber der Stresslevel ist durchaus lebensecht. Sicherlich ist auch die geistige Fitness ein wichtiger Faktor. Jeder weiß, dass man auch körperlich auf der Höhe sein muss, um geistig wirklich zu hundert Prozent fit zu sein. Nicht umsonst geht ein Pilot einmal im Jahr zu einem ausgiebigen Check-up, wo er medizinisch durchleuchtet wird, um diese geistige Fitness zu gewährleisten.
Wie schneiden die Piloten bei so einem Training im Simulator ab?
Wenn ich nicht gut genug bin, verliere ich meine Lizenz. Das Simulatortraining ist quasi ein Testflug für mich.t
Ein Pilot verliert seinen Job, wenn er im Training durchfällt?
Ja, man muss bestehen.
Wie viele Versuche haben Piloten im Simulator?
Die Piloten dürfen grundsätzlich einmal durchfallen. Danach wird noch mal trainiert. Es gibt extra Trainings-"Missions", um das Defizit auszugleichen. Danach hat der Pilot einen zweiten Versuch. Wenn er dann auch durchfällt, ist er seine Lizenz los und damit praktisch arbeitslos. Es gibt nur noch diesen einen Versuch.
Ein Pilot kann gefährliche Flugsituation sicherlich nicht allein bewältigen. Wie wird die Teamarbeit trainiert?
Ein Flugzeug ist so gebaut, dass es mindestens zu zweit geflogen wird. Das Ganze funktioniert ausschließlich im Team. Nur mit einer guten Teamleistung kann man im Cockpit bestehen. Teamfähigkeit ist schon eine Einstellungsvoraussetzung. Piloten sind keine "lone ranger", die ganz alleine heldenhaft das Flugzeug steuern. Es ist immer eine Teamleistung.
Und wie ist die Kabinen-Crew hier eingebunden?
Das ist stark vom aktuellen Fehler abhängig. Auch die Kabinen-Crew ist eine wertvolle Ressource. Wenn man sich zum Beispiel vorstellt, dass eines der größten Unglücke an Bord eines Flugzeugs ein Feuer ist: Das kann ja auch in der Kabine ausbrechen. Auch das wird immer wieder trainiert, und zwar mit Hilfe des sogenannten CRM - das steht für Crew Reforce Management.
Das kann man nicht im Simulator trainieren.
Dafür gibt es Extra-Veranstaltungen, die im sogenannten Kabinen-Simulator stattfinden. Auch das ist Teil der Ausbildung und wird jährlich wiederholt.
Waren Sie als Pilot schon einmal in einer gefährlichen Situation?
In einer sogenannten Not-Situation war ich schon. Allerdings war die Kabine nicht betroffen. Bei mir war es eine Rauch-Situation ganz lokal im Cockpit.
Mit Markus Wahl sprach Diana Dittmer