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Portugal zieht nach Großbritannien, Kanada und Australien erkennen Palästina als Staat an

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Großbritannien, Kanada, Australien und Portugal erkennen Palästina fortan als Staat an.

Großbritannien, Kanada, Australien und Portugal erkennen Palästina fortan als Staat an.

(Foto: picture alliance/Hans Lucas/Roland Macri)

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern dauert schon Jahrzehnte an. Eine Lösung sehen manche nur in zwei separaten Staaten. Der Gaza-Krieg lässt das immer unwahrscheinlicher erscheinen. Einige Länder wollen mit einer Anerkennung des Palästinenser-Staates die Idee am Leben erhalten.

Großbritannien und Kanada haben als erste große westliche Wirtschaftsnationen die Anerkennung eines palästinensischen Staates beschlossen. Das gaben die Premierminister Keir Starmer und Mark Carney kurz vor Beginn der UN-Generaldebatte in der kommenden Woche in New York bekannt. Dort wollen weitere westliche Nationen wie Frankreich und Belgien nachziehen - trotz Warnungen Israels, die Anerkennung eines Palästinenser-Staates komme einer "Belohnung für die Hamas" gleich.

Nahezu gleichzeitig zur Bekanntgabe Großbritanniens und Kanadas verkündete auch Australiens Regierungschef Anthony Albanese, einen Palästinenser-Staat formal anzuerkennen. Portugals Außenminister Paulo Rangel teilte am Abend mit, dies ebenfalls zu tun.

"Seit 1947 ist es die Politik jeder kanadischen Regierung, eine Zweistaatenlösung für einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten zu unterstützen", sagte Carney. Die israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu arbeite systematisch daran, die Entstehung eines palästinensischen Staates zu verhindern. Deswegen erkenne Kanada nun als Teil einer internationalen Initiative einen palästinensischen Staat an, um die Perspektive einer Zweistaatenlösung zu erhalten, erklärte Carney weiter.

"Um die Hoffnung auf Frieden für Palästinenser und Israelis sowie auf eine Zweistaatenlösung wiederzubeleben, erkennt das Vereinigte Königreich heute den Staat Palästina offiziell an", erklärte Starmer auf X. Ähnliche Worte formulierte zudem der australische Premierminister Albanese.

Die Anerkennung durch mehrere westliche Länder ist nach den Worten der palästinensischen Außenministerin Varsen Aghabekian Shahin ein unumkehrbarer Schritt für eine Zweistaatenlösung. Dieser bringe die palästinensische Unabhängigkeit und Souveränität näher, erklärt sie.

Deutschland will Palästina "nicht jetzt anerkennen"

Großbritannien fordert unter anderem eine sofortige Waffenruhe sowie mehr humanitäre Hilfe für die not- und hungerleidende Bevölkerung im Gazastreifen. Die Debatte über die Anerkennung eines Palästinenser-Staates sei Teil eines Gesamtpakets, "das uns hoffentlich aus der derzeitigen, schrecklichen Situation heraus und hin zu einem sicheren Israel, das wir nicht haben, und einem lebensfähigen palästinensischen Staat führt", sagte Starmer jüngst.

Die USA sind Israels engster Verbündeter und lehnen - wie Deutschland - die Anerkennung eines palästinensischen Staates zu diesem Zeitpunkt ab. Deutschlands Außenminister Johann Wadephul bekräftigte zuletzt die Position der Bundesregierung, "dass ein Palästinenser-Staat jetzt nicht anzuerkennen ist, aber dass eine Zweistaatenlösung möglich sein muss".

Mit der sogenannten Zweistaatenlösung ist die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existieren soll. Sie gilt als das international anerkannte Ziel für eine Lösung des Nahost-Konflikts. Deutschland setzt daher weiterhin auf eine Verhandlungslösung. Doch alle Versuche einer friedlichen Einigung beider Seiten waren bisher gescheitert, die letzten Gespräche gab es 2014.

Netanjahu gegen Zweistaatenlösung

Netanjahu hatte die Idee eines entmilitarisierten palästinensischen Staates einst ebenfalls unterstützt, rückte dann jedoch davon ab. Seine gegenwärtige rechtskonservative Regierung lehnt eine Zweistaatenlösung strikt ab. Sie steht auf dem Standpunkt, ein palästinensischer Staat gefährde Israels Existenz und wäre eine "Belohnung" für die islamistische Terrororganisation Hamas nach dem beispiellosen Massaker in Israel am 7. Oktober 2023.

Netanjahus Regierung treibt gleichzeitig den Siedlungsausbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem stetig voran. In den Gebieten leben mehr als 700.000 Siedler neben rund drei Millionen Palästinensern. Die Palästinenser beanspruchen sie ebenso wie den Gazastreifen für ihren eigenen Staat.

Durch Israels fortschreitende Besiedlung bliebe davon jedoch schon heute nur ein "Flickenteppich" übrig. Insofern kommt der Vorstoß Großbritanniens und anderer einflussreicher Länder de facto einer eher symbolischen Anerkennung eines Staates ohne Land gleich. Auch der britische Vize-Premier David Lammy räumte bei Sky News ein, eine Anerkennung bedeute nicht, dass über Nacht ein palästinensischer Staat entstehen werde.

Gleichzeitig drängen ultrarechte israelische Minister massiv zu einer Ausweitung des israelischen Staatsgebiets und zur Annexion von großen Teilen des Westjordanlands und des Gazastreifens. Finanzminister Bezalel Smotrich hatte angedroht, Israel könnte sich als Reaktion auf die Anerkennung rund 80 Prozent des Westjordanlands einverleiben.

Hamas gegen Palästinenser-Staat, PLO dafür

Auch die Hamas, die 2007 gewaltsam die alleinige Kontrolle im Gazastreifen an sich gerissen hatte, lehnt eine Zweistaatenlösung ab. Sie will Israel zerstören und stattdessen einen islamischen Staat auf dem gesamten Gebiet des historischen Palästina errichten. Die gemäßigtere Palästinensische Befreiungsorganisation PLO, die im Westjordanland die Autonomiebehörde dominiert und international die Interessen der Palästinenser wahrnimmt, befürwortet hingegen die Zweistaatenlösung.

Der Vorstoß, die Woche der UN-Generaldebatte für die Anerkennung eines palästinensischen Staates zu nutzen, war Ende Juli von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gekommen. Wadephul will an der dafür von Frankreich organisierten Konferenz an diesem Montag auch teilnehmen.

Weltweit haben bereits fast 150 der 193 UN-Mitgliedsstaaten einen palästinensischen Staat anerkannt. Aus palästinensischer Sicht ist aber gerade die Entscheidung mehrerer führender westlicher Staaten von besonderer Bedeutung. Wenn nach Großbritannien wie geplant auch Frankreich folgt, dann haben einschließlich Russland und China vier der fünf UN-Vetomächte einen Palästinenser-Staat anerkannt - einzig die USA nicht.

Der Krieg im Gazastreifen hatte mit dem Überfall der Hamas und weiterer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023 begonnen. Dabei wurden rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 in den Gazastreifen verschleppt. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums in Gaza wurden im Kriegsverlauf bereits mehr als 65.000 Palästinenser getötet, darunter zahlreiche Frauen und Kinder.

Bodenoffensive im Gazastreifen

Im Gazastreifen, in dem rund zwei Millionen Palästinenser leben, herrscht Hilfsorganisationen zufolge inzwischen eine dramatische humanitäre Krise; es fehlt vielen Menschen am Allernötigsten, Hunderttausende mussten wegen Kämpfen bereits mehrfach fliehen. Für Teile der Stadt Gaza und einige Nachbarorte wurde zudem eine Hungersnot erklärt. Israel kontrolliert die Zufuhr von Hilfsgütern in den abgeriegelten Küstenstreifen. Diese Versorgung ist internationalen Organisationen zufolge schon seit Monaten viel zu gering.

Jüngst startete Israel auch eine höchst umstrittene Bodenoffensive in der Stadt Gaza, in der noch Hunderttausende Palästinenser leben. Ziel ist es laut Regierungsangaben, dort eine der letzten Hamas-Hochburgen zu zerschlagen und die Freilassung der Geiseln zu erzielen. Im Gazastreifen befinden sich noch 48 Geiseln. Nach israelischen Informationen dürften 20 von ihnen noch leben.

Quelle: ntv.de, mpa/dpa/rts

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