Talk zur Cannabis-Legalisierung Lauterbach bei Lanz: "Kiffen in der Gesellschaft angekommen"
09.02.2024, 06:28 Uhr Artikel anhören
Gekifft werde sowieso, sagt Lauterbach. Mit der Legalisierung solle aber der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden.
(Foto: IMAGO/Metodi Popow)
In zwei Wochen stimmt der Bundestag über die Legalisierung von Cannabis ab. Bei Lanz erklärt Gesundheitsminister Lauterbach, was er sich von einer Legalisierung der Droge verspricht. Andere Gäste sind skeptisch.
Tüte, Joint oder Bubatz: Wenn es nach der Ampel-Koalition geht, müssen Kiffer bald kein ungutes Gefühl mehr haben, wenn sie Cannabis in der Öffentlichkeit konsumieren. Die Bundesregierung will die Droge legalisieren. In zwei Wochen soll der Bundestag darüber abstimmen. Doch nicht alle Ampel-Politiker sind mit der Legalisierung einverstanden.
Da ist zum Beispiel Sebastian Fiedler, Ex-Kriminalbeamter und jetzt SPD-Innenpolitiker. Er sagt: "Ich werde mit Nein stimmen." Im Spiegel erklärt er: "Einem Gesetz, das zu einer Entkriminalisierung von Dealern und sinnloser Mehrarbeit für die Polizei führt, kann ich nicht zustimmen." Die organisierte Kriminalität lache sich ins Fäustchen, so der Politiker.
Jeder darf 25 Gramm Cannabis besitzen
Was das Gesetz vorsieht, erklärt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD bei Markus Lanz im ZDF. Jeder Konsument darf 25 Gramm Cannabis legal besitzen. Das soll ab dem 1. April gelten. Ab dem 1. Juli darf Cannabis in privaten Clubs angebaut werden. Kinder und Jugendliche dürfen nicht kiffen. Wer die Droge an Jugendliche unter 18 Jahren weitergibt und dabei erwischt wird, der wird bestraft. Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren dürfen nicht ganz so viel konsumieren wie Erwachsene. Das Kiffen in der Öffentlichkeit ist erlaubt, außer im Umkreis von hundert Metern von Schulen und Kitas.
Was das konkret bedeutet, sagt Lauterbach nicht. Ein paar Zahlen: Laut dem SPD-Politiker Fiedler kann man mit 25 Gramm Cannabis ungefähr 75 ordentliche Joints bauen. Wer regelmäßig etwa drei Joints pro Tag raucht, verdampft die 25 Gramm also in einem Monat. Das geht ordentlich ins Geld. Aktuell kostet ein Gramm Cannabis im Durchschnitt gut acht Euro. Macht also 200 bis 250 Euro im Monat. Wie alle Drogen kann der Konsum von Cannabis natürlich auch gesundheitliche Schäden hervorrufen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich regelmäßiger Cannabis-Konsum von Jugendlichen negativ auf deren Denkfähigkeit auswirken kann.
Das weiß Lauterbach natürlich auch. Sein Ministerium habe deswegen eine Aufklärungskampagne in den sozialen Netzwerken gestartet, sagt er. Doch ein Blick auf Instagram, das vor allem von Jugendlichen genutzt wird, zeigt etwas anderes. Dort findet man eine Kampagne mit dem Titel "Bubatz bald legal" auf dem offiziellen Account der Bundesregierung, wie das ZDF zeigt. Von einer Warnung vor dem Konsum von Cannabis ist da nichts zu sehen. Lauterbach, der darauf angesprochen wird, wirkt überrumpelt und gerät ein wenig ins Stottern. Das sei nicht die Kampagne seines Ministeriums, sagt er, und das müsse geprüft werden.
Der Sinn des Gesetzes
Doch warum will ein Mediziner wie Lauterbach eine Droge legalisieren, die gesundheitsschädlich sein kann? Lauterbach: "Diejenigen, die schon konsumieren, sind dann nicht mehr auf den Schwarzmarkt angewiesen, nicht mehr auf die Dealer, auf die Kriminalität, auf die Beimengungen. Das heißt, wir erkennen an, dass Cannabis in der Gesellschaft konsumiert wird." Durch die Möglichkeit, selbst Cannabis anzupflanzen, würde der Einfluss des Schwarzmarkts sinken, da ist sich Lauterbach sicher. Das wiederholt er ungefähr fünfmal in der Sendung. Die Politik habe sich auf Kleinkriminalität fokussiert. "Wir haben keinen Erfolg gehabt. Die Wahrheit ist doch, der Konsum nimmt zu. Wir haben einen Schwarzmarkt, der komplett außer Kontrolle ist. Und wir haben eine Zunahme (des Konsums) bei Kindern und Jugendlichen, weil die Dealer sich genau auf diese Kundengruppe orientieren. Dann müssen wir doch reagieren, um den Schwarzmarkt dort auszutrocknen. Das ist eine wichtige Maßnahme."
Durch die Legalisierung von Cannabis werde nicht nur die Tätigkeit von Dealern zurückgehen, nein, der Cannabis-Konsum werde sinken. Das haben laut Lauterbach Studien am Fall von Kanada und dem US-Bundesstaat Colorado gezeigt. Doch hier irrt der Minister. In Kanada ist laut Neuer Züricher Zeitung der Cannabis-Konsum in den ersten zwei Jahren nach dessen Freigabe um fünf Prozent gestiegen. Dort sind auch die Schwarzmarktpreise für Cannabis deutlich gesunken, dafür stieg die Auswahl der verschiedenen Produkte.
Nicht nur in der SPD gibt es Kritik an der Cannabis-Freigabe, auch bei Markus Lanz. Vor allem die stellvertretende Spiegel-Chefredakteurin Melanie Amann ist skeptisch. Der Schwarzmarkt würde nicht verschwinden, weil es immer noch Menschen gebe, die den Stoff nicht selbst anpflanzen wollten, sagt sie. Wer in Zukunft mit 25 Gramm Cannabis angetroffen werde, könne legal davonkommen.
Anders in den bisher als Drogenparadies bekannten Niederlanden: Dort seien nur fünf Gramm Cannabis erlaubt. "Mit dem Modell funktioniert das nicht", sagt Amann – und meint damit die Austrocknung des Schwarzmarkts. Und sie kritisiert einen weiteren Punkt des Gesetzes. Laut Lauterbach soll es in zwei Jahren evaluiert werden, also auf seine Wirksamkeit geprüft werden. Amann fragt: "Wenn in zwei Jahren die Evaluation ergibt, das hat nicht geklappt, ist es dann realistisch, dass gesagt wird, wir nehmen es (Cannabis) wieder auf die Liste der illegalen Substanzen?" Die Antwort gibt sie sich gleich selbst: "Das ist doch wohl unrealistisch."
Doch Lauterbach lässt sich von dem Gesetz nicht abbringen. Kiffen sei in der Gesellschaft angekommen, sagt er ein ums andere Mal. "In Bayern kiffen 27 Prozent der 18- bis 24-Jährigen", sagt er zum Beispiel. Postwendend kommt die Antwort von einer Kinderärztin, und zwar von Tanja Bunnert: "Haben Sie nicht gemerkt, dass es dann 73 Prozent nicht tun?"
Quelle: ntv.de